Deutsches Reich,
Dienstag,
12. Juni 1900
Inland
Deutsches Reich
Berlin - Reichstag nimmt “Zweite Flottenvorlage” an
Der
Deutsche
Reichstag
in
Berlin
nahm
die
“Zweite
Flottenvorlage”
mit
201
gegen
103
Stimmen
an
und
verabschiedete
damit
die
Verstärkung
und
den
Ausbau
der
Kaiserlichen
Flotte.
Die
Sitzungsperi
-
ode
des
Deutschen
Reichstages
wurde
nach
der
Annahme der “Zweiten Flottenvorlage” beendet.
Initiatoren
dieser
“Zweiten
Flottenvorlage”
waren
der
Staatssekretär
im
Auswärtigen
Amt
Bern
-
hard
von
Bülow
und
der
Staatssekretär
im
Reichs
-
marineamt
Alfred
Tirpitz
,
der
an
diesem
Tage
in
Bad
Homburg
in
den
preußischen
Adelsstand
erhoben werden wird.
Die
“Zweite
Flottenvorlage”
wurde
mit
dem
Argument
der
Abschreckung
begründet.
Da
der
wirtschaftliche
Interessenstreit
mit
England
immer
größer
werde,
müsse
das
Deutsche
Reich
auch
auf
dem
Meer
so
stark
werden,
daß
ein
Angriff
auf
das
Reich
für
andere
Mächte
ein zu hohes Risiko bedeutete. Dazu aus der Flottenvorlage:
“...
Es
gibt
nur
ein
Mittel,
um
Deutschland
zu
schützen:
Es
muß
eine
Flotte
haben,
daß
selbst
für
die
größte
Flotte
einen
Krieg
mit
ihm
ein
sol
-
ches
Risiko
in
sich
schließen
würde,
daß
ihre
eigene
Überlegenheit
gefährdet
wäre.
Für
diesen
Zweck
ist
es
nicht
absolut
notwendig,
daß
die
deutsche
Flotte
ebenso
groß
ist
wie
die
der
größten
Seemacht,
weil
in
der
Regel
eine
solche
nicht
in
der
Lage
sein
wird,
ihre
ganze
Kraft
gegen
uns
zu
konzentrieren.
Aber
selbst,
wenn
es
ihr
gelingen
sollte,
uns
mit
überlege
-
nen
Kräften
entgegenzutreten,
würde
der
Feind
durch
seine
Überwindung
des
Widerstandes
der
deutschen
Flotte
so
erheblich
geschwächt
werden,
daß
dann
trotz
des
etwa
errungenen
Sieges
die
eigene
Machtstellung
zunächst nicht mehr ausreichend gesichert wäre. ...”
Quelle:
Andreas
Naumann:
Das
Reich
im
Kreuzfeuer
der
Weltmächte
-
Stationen
der
Ein
-
kreisung Deutschlands.
Nach
der
Verabschiedung
der
“Zweiten
Flottenvorlage”
sollte
die
deutsche
Marine bis zum Jahr 1917 auf folgende Stärke ausgebaut werden:
1. Schlachtflotte:
2 Flotten-Flaggschiffe
4 Geschwader à 8 Linienschiffe
8 große Kreuzer
24 kleine Kreuzer
2. Auslandsflotte
3 große Kreuzer
10 kleine Kreuzer
3. Materialreserve
4 Linienschiffe
3 große Kreuzer
4 kleine Kreuzer
Zur Geschichte der Ersten und Zweiten Flottenvorlage
Der
Deutsche
Reichstag
hatte
am
10.
April
1898
die
“Erste
Flottenvorlage”
des
neuen
Staatssekretärs
im
Reichsmarineamt
Alfred
Tirpitz
verabschie
-
det.
Diese
“Erste
Flottenvorlage”
sah
eine
Erhöhung
des
deutschen
Marinebestandes
vor,
das
die
Umsetzung
des
überseeischen
deutschen
Handels
gewährleisten
und,
im
Falle
einer
neuen
europäischen
Krise,
mili
-
tärische
Stärke
zeigen
sollte.
Die
“Erste
Flottenvorlage”
sah
den
Ausbau
der
Deutschen Kriegsmarine bis 1904 auf folgende Stärke vor:
19 Linienschiffe (bisher 7)
8 Küstenpanzer
12 große Kreuzer (bisher 2)
30 kleine Kreuzer (bisher 7)
In
einer
Rede
am
11.
Dezember
1899
begründete
der
deutsche
Staatssekretär
des
Auswärtigen
Amtes,
Bernhard
von
Bülow,
die
“Zweite Flottenvorlage”:
Inhalt
Inland
Seite 01
Tirpitz, Alfred Peter
Friedrich von
1849 - 1930
Bülow, Bernhard
Heinrich Martin ...
1849 - 1929
“...
Man
hat
gesagt,
meine
Herren,
daß
in
jedem
Jahrhundert
eine
Auseinandersetzung,
eine
große
Liquidation
stattfinde,
um
Einfluß,
Macht
und
Besitz
auf
der
Erde
neu
zu
verteilen.
...
Die
Kriege
der
letzten
Jahre
haben
große,
tief
einschneidende,
weitreichende
Entscheidungen
herbeige
-
führt.
...
Niemand
kann
übersehen,
welche
Konsequenzen
der
Krieg
haben
wird,
der
seit
einigen
Wochen
Südafrika
in
Flammen
setzt.
...
Es
ist
Zeit,
es
ist
hohe
Zeit,
daß
wir
gegenüber
der
seit
zwei
Jahren
wesentlich
veränder
-
ten
Weltlage,
im
Hinblick
auf
die
inzwischen
erheblich
modifizierten
Zukunftsaussichten
uns
klar
werden
über
die
Haltung,
die
wir
einzunehmen
haben. ...
Untätig
beiseite
stehen,
wie
wir
das
früher
oft
getan
haben,
...
träu
-
mend
beiseite
stehen,
während
andere
Leute
sich
in
den
Kuchen
teilen,
das
können
wir
nicht
und
wollen
wir
nicht.
...
Die
rapide
Zunahme
unserer
Bevölkerung,
der
beispiellose
Aufschwung
unserer
Industrie,
die
Tüchtigkeit
unserer
Kaufleute,
kurz,
die
gewaltige
Vitalität
des
deutschen
Volkes
haben
uns
in
die
Weltwirtschaft
verflochten
und
in
die
Weltpolitik
hineingezogen.
Wenn
die
Engländer
von
einem
Greater
Britain
reden,
wenn
die
Franzosen
sprechen
von
einer
Nouvelle
France,
wenn
die
Russen
sich
Asien
erschlie
-
ßen,
haben
auch
wir
Anspruch
auf
ein
größeres
Deutschland,
nicht
im
Sinne
der
Eroberung,
wohl
aber
im
Sinne
der
friedlichen
Ausdehnung
unse
-
res
Handels
und
seiner
Stützpunkte.
...
Schon
durch
die
Notwendigkeit
der
Kohlenbeschaffung
sind
wir
angewiesen
auf
die
Erwerbung
maritimer
Stütz
-
punkte.
...
Der
Kreis
und
der
Umfang
unserer
überseeischen
Interessen
-
da
liegt
der
Kernpunkt
der
Frage
-
hat
sich
sehr,
sehr
viel
rascher
und
sehr
viel
intensiver
entwickelt
als
die
materiellen
Machtmittel,
um
diese
Interes
-
sen so zu schützen und zu fördern, wie dies notwendig ist. ...”
Bad Homburg - Tirpitz in den Adelsstand erhoben
In
Bad
Homburg
wurde
dem
deutschen
Vizeadmiral
und
Staatssekretär
im
Reichsmarineamt
Alfred
Tirpitz
,
nach
der
Bewilligung
der
von
ihm
initiier
-
ten
“Zweiten
Flottenvorlage”
durch
den
Deutschen
Reichstag,
der
erbliche
Adelstitel verliehen.
Eisleben - 700-Jahr-Feier des Mansfelder Bergbaus
An
der
700-Jahr-Feier
des
Mansfelder
Bergbaus
auf
dem
Marktplatz
von
Eisleben
nahm
auch
der
deutsche
Kaiser
Wilhelm
II.
nebst
der
Gemahlin
Kaiserin
Auguste
Viktoria
teil.
Der
frühere
Ober
-
bürgermeister
von
Leipzig,
Geheimrat
Dr.
Otto
Robert
Georgi
hielt
eine
Begrüßungsrede
und
bat
dann
den
Kaiser,
ein
Ehrentrunk
aus
einem
Pokal
annehmen
zu
wol
-
len,
den
König
Gustav
I.
von
Schweden
einst
dem
Reformator
Martin
Luther
geschenkt
hatte.
Darauf
-
hin
antwortete
der
Kaiser
mit folgender Ansprache:
“Diesen
von
der
Erinnerung
geweihten
Pokal
bin
Ich
im
Begriffe
auf
das
Wohl
dieser
Mansfelder
Gewerkschaft
zu
leeren.
Die
Fülle
der
geschichtlichen
Erinne
-
rungen
und
die
vielen
Jahrhunderte
treuer
Arbeit
haben
sich
an
die
Stätte
geknüpft,
an
welcher
wir
hier
versammelt
sind,
die
eines
jeden
Menschen
Herz
ergreift
und
überwältigt,
und
Ich
wüßte
keine
bessere
Devise,
um
in
der
Arbeit
der
Knappen
aus
-
zuharren,
in
schweren
prüfungsvollen
Zeiten
den
Mut
nicht
zu
verlieren
und
bei
Überwindung
von
Schwierigkeiten
zugleich
leuchtend
hervorzuragen
duch
die
Eigenschaft
der
Treue,
als
die
der
Grafen
von Mansfeld 'Dennoch.'
So
möge
sie
auch
fernerhin
die
Entschlüsse
und
die
Sinnesrichtung
der
Knappen
der
Mansfel
-
der
Gewerkschaft
beherrschen.
Das
ist
auch
die
Devise,
die
Ich
zu
Meiner
Richtschnur
genommen
habe:
Je
höher
die
Schwierigkeiten, desto fester das Ziel ins Auge gefaßt.
Derjenige,
der
mit
das
großartigste
Beispiel
gegeben
hat,
das
ist
der
Deutsches Reich,
Dienstag,
12. Juni 1900
Seite
2
Auguste Viktoria
Friederike Luise ...
1858 - 1921
Gustav I. von
Schweden
1496 - 1560
Wilhelm II., Friedrich
Wilhelm Viktor ...
1859 - 1941
Georgi, Otto Robert
1831 - 1918
Luther, Martin
1483 - 1546
große
Reformator,
vor
dem
wir
hier
stehen,
und
auch der, dessen Pokal Ich hier in Händen halte.
Der
große
Reformator,
der
Eislebener
Häu
-
erssohn
(Häuer
=
Arbeiter
im
Bergbau
–
DHJ)
,
hat
uns
gezeigt
und
gelehrt,
wie
man
trotz
allen
Schwierig
-
keiten
die
Blicke
unbeirrt
auf
ein
großes
Ziel
heften
soll.
Dasselbe
haben
wir
gelernt
von
Gustav
Adolf
(gemeint
ist
Gustav
II.
Adolf
-
DHJ)
,
der
sein
königli
-
ches
Blut
verspritzt
hat
für
die
Sache
seines
Glaubens,
die
heilige
Sache
unseres
evangeli
-
schen Glaubens.
So
können
auch
wir
auf
unsere
evangelische
Sache
dieselbe
Devise
anwenden
und
wollen
sie
hoch
und
heilig
halten,
so
lange einer von uns lebt und Nachkommen hat.
In
dankbarer
Ergebenheit
an
ihn,
der
uns
diesen
Häuerssohn
gege
-
ben
hat,
der
uns
die
evangelische
Wahrheit
gebracht
hat
und
hat
finden
lassen,
trinke
Ich
auf
das
Wohl
Meiner
Mansfelder
Gewerkschaft
und
der
Stadt
Eisleben,
der
Ich
Meinen
und
der
Kaiserin
herzlichen
Dank
für
den
wunderschönen Empfang ausspreche. 'Dennoch!' 'Glückauf!'“
Quelle: Johannes Penzler: Die Reden Kaiser Wilhelms II. in den Jahren 1896-1900.
Deutsches Reich,
Dienstag,
12. Juni 1900
Seite
3
Gustav II. Adolf
1594 - 1632