Deutsches Reich,
Dienstag,
22. Mai 1900
Inland
Deutsches Reich
Berlin - Reichstag nimmt “Lex Heinze” an
In
Berlin
nahm
der
Deutsche
Reichstag
das
umstrittene
Sittlichkeitsgesetz
“Lex
Heinze”,
gegen
die
Stimmen
der
Sozialdemokraten
und
der
Freisinni
-
gen,
in
einer
Kompromißfassung
an.
Nach
dem
Mordprozeß
gegen
das
Zuhälterpaar
Heinze
wurde
der
Straftatbestand
der
Zuhälterei
eingeführt.
Das
beschlossene
Gesetz
“Lex
Heinze”
weitete
zudem
die
Zensur
aus
und
die
Strafbestimmungen
des
Jugendschutzes
sowie
die
Strafandrohungen
wegen “Verbreitung unsittlicher Schriften” wurden verschärft.
Informationen zum Sittengesetz “Lex Heinze” auch in der Zeitung vom
06. Februar 1900
.
Ausland
Frankreich
Paris - “Dreyfus-Affäre”
In
Paris
forderte
die
französische
Abgeordneten
-
kammer
die
Regierung
auf,
die
Wiederaufnahme
des
Dreyfus-Prozesses
zu
verhindern.
Namhafte
Politiker
und
Künstler
hatten
auf
eine
Wiederauf
-
nahme
des
Verfahrens
gegen
Alfred
Dreyfus
gedrängt
und
gehofft,
ihn
damit
vollkommen
reha
-
bilitieren zu können.
Kurz zur Geschichte der “Dreyfus-Affäre”
Am
25.
September
1894
putzte
Marie
Bastian
in
der
Pariser
Botschaft
des
Deutschen
Reiches
die
Büroräume
des
deutschen
Militärattachés
Maximi
-
lian
Friedrich
Wilhelm
August
Leopold
von
Schwartzkoppen
.
Beim
entleeren
des
Papierkor
-
bes
entnahm
sie
ein
ihr
auffälliges
Papier,
und
da
sie
für
den
französischen
Geheimdienst
arbeitete,
übergab
sie
dieses
Dokument
dem
Nachrichten
-
büro
des
Kriegsministeriums.
In
diesem
handge
-
schriebenen
Dokument
wurden
dem
Empfänger
fünf
geheime
militärische
Informationen
in
Aussicht
gestellt.
Bei
der
Untersuchung
des
Dokumentes
kam
man
am
06.
Oktober
1894
zu
der
Erkenntnis,
daß
der
Verdacht
des
Verrates
nur
auf
den
Artilleriehauptmann
Alfred
Dreyfus
fallen
könne,
der
aus
dem
Elsass
stamme
und
daher
wohl
allem
Deutschen
freundlich
geson
-
nen
sei.
Am
15.
Oktober
1894
Inhalt
Inland
Seite 01
Ausland
Seite 01
Dreyfus, Alfred
1859 - 1935
Schwartzkoppen,
Maximilian ...
1850 - 1917
wurde
Alfred
Dreyfus
unter
einem
Vorwand
zum
Generalstab
zitiert.
Dort
ließ
man
ihn
einige
Sätze
schreiben
und
verglich
sie
mit
der
Handschrift
aus
dem
Dokument.
Da
seine
Handschrift
der
Schrift
auf
dem
Dokument
ziem
-
lich
ähnlich
sah,
nahm
man
dies
als
Beweis,
daß
er
das
Dokument
geschrieben habe - unverzüglich wurde er als Hochverräter verhaftet.
Die
Verhandlung
gegen
Alfred
Dreyfus
begann
am
19.
Dezember
1894
und
war
schon
drei
Tage
später,
am
22.
Dezember
1894,
mit
einem
einstimmigen
Schuldspruch
beendet
worden.
Er
wurde
-
trotz
Unschuldsbe
-
teuerungen
und
haltloser
Beweise
-
des
Landesverrats
für
schuldig
gesprochen,
militärisch
degradiert
und
zur
Deportation
und
lebenslanger
Haft in Verbannung auf der Teufelsinsel verurteilt.
In
den
Jahren
1895
bis
1899
hatten
seine
Frau
und
seine
Familie
alles
versucht,
um
die
Unschuld
von
Alfred
Dreyfus
zu
beweisen
und
eine
Revision
des
Verfahrens
zu
erwirken.
Die
Presse
wurde
eingeschaltet,
seine
Briefe
aus
der
Verbannung
wurden
veröffentlicht
-
in
denen
er
stets
seine
Unschuld
beteuerte
-
und
immer
mehr
Sympathisanten,
die
sich
“Dreyfusar
-
den”
nannten,
schlossen
sich
dem
schuldlos
Verurteilten
an.
Selbst
bei
etlichen
Militärs
wurde
die
Schuld
von
Dreyfus
angezweifelt.
Seit
dem
22.
Juni
1895
war
Major
Marie-Georges
Picquart
der
Leiter
des
Nachrichtenbüros
im
Kriegsministerium,
der
die
Schuld
von
Alfred
Dreyfus
ebenfalls
anzweifelte.
Seine
Nachforschungen
ergaben
schließlich
im
August
1896,
daß
nicht
Alfred
Dreyfus
der
Verfasser
des
Dokumentes
war,
sonder
ein
französischer
Major
mit
dem
Namen
Marie
Charles
Ferdinand
Walsin-Esterházy
,
weshalb
eine
Revision
des
Verfahrens
unverzüglich
einge
-
leitet
werden
sollte.
Seine
Vorgesetzten
sahen
dies
anders
und
am
06.
Januar
1897
wurde
Marie-
Georges
Picquart
nach
Tunesien
versetzt.
Picquart
selbst
veröffentlichte
seine
Recherchen
zum
Drey
-
fus-Irrtum,
wonach
der
Versuch
unternommen
wurde,
ihn
auch
mittels
falscher
Beweise
zu
dis
-
kreditieren.
Trotz
aller
Widrigkeiten
wurde
am
04.
Dezember
1897
gegen
Marie
Charles
Ferdinand
Walsin-Esterházy
der
Prozeß
geführt.
Am
11.
Dezember
1897
wurde
dieses
Verfahren
jedoch
wieder
eingestellt,
da
Schriftsachverständige
erklärt
hatten,
daß
Walsin-Esterházy
nicht
der
Ver
-
fasser
des
Dokumentes
sein
könne.
In
der
folgenden
Zeit
spaltete
das
Dreyfus-Problem
das
Land
Frankreich
und
wurde
zu
einer
nationalen
Affäre
-
zur
Dreyfus-Affäre;
Befürworter
einer
Revision
des
Verfahrens
kämpften
gegen
diejenigen,
die
ein
neues
Verfahren
für
unnötig
hielten
-
und
das
nicht
nur
verbal
und
in
den
Medien,
es
gab
sogar
Tumulte
und
es
kam
zu
etlichen Straßenschlachten.
Schlußendlich
entschied
im
Oktober
1898
das
Oberste
Berufungsge
-
richt
die
Zulassung
des
Revisionsantrages
und
forderte
eine
umfassende
Überprüfung
des
Urteils
vom
22.
Dezember
1894.
Am
03.
Juni
1899
wurde
das
Urteil
vom
22.
Dezember
1894
aufgehoben
und
der
Fall
an
das
Kriegs
-
gericht
in
Rennes
verwiesen.
Am
08.
August
1899
begann
der
Kriegsge
-
richtsprozeß
in
Rennes
gegen
Alfred
Dreyfus
und
alle
rechneten
natürlich
mit
einem
eindeutigen
Freispruch.
Am
09.
September
1899
jedoch
wurde
Alfred
Dreyfus
mit
5
zu
2
Stimmen
erneut
für
schuldig
befunden,
erhielt
aber
mildernde
Umstände
und
seine
lebenslange
Haft
wurde
in
zehn
Jahre
Fes
-
tungshaft
umgewandelt.
Um
die
französische
Nation,
und
die
wieder
aufflammenden
Gemüter,
zu
beruhigen,
erhielt
Alfred
Dreyfus
vom
französi
-
schen
Staatspräsidenten
das
Angebot
einer
sofortigen
Begnadigung,
wenn
er
auf
eine
Berufung
verzichtete
-
am
19.
September
1899
nahm
Alfred
Dreyfus
das
Angebot
des
französischen
Staatspräsidenten
an,
um
weitere
Eskalationen
in
dieser
Angelegenheit
in
Frankreich
zu
unterbinden.
Er
ver
-
langte
jedoch
ein
Amnestiegesetz
für
alle
Beteiligten
in
der
Dreyfus-Affäre
und daß er weiterhin für den Beweis seiner Unschuld kämpfen dürfe.
Niederlande
Den Haag - Kredite für Gewehr genehmigt
In
Den
Haag
genehmigte
die
niederländische
Zweite
Kammer
die
Kredite
zur Einführung des 6,5-Millimeter-Gewehrs.
Deutsches Reich,
Dienstag,
22. Mai 1900
Seite
2
Picquart,
Marie-Georges
1854 - 1914
Walsin-Esterházy,
Marie Charles ...
1847 - 1923
USA
Washington - Aus Buren bestehende Delegation empfangen
US-Präsident
William
McKinley
und
US-Außenmi
-
nister
John
Milton
Hay
empfingen
in
Washington
in
einer
nicht
offiziellen
Audienz
eine
Burendele
-
gation,
die
am
16.
Mai
in
den
USA
eingetroffen
und
von
der
Bevölkerung
begeistert
empfangene
worden war.
Deutsches Reich,
Dienstag,
22. Mai 1900
Seite
3
Hay, John Milton
1838 - 1905
McKinley, William
1843 - 1901