Deutsches Reich,
Dienstag,
06. Februar 1900
Inland
Deutsches Reich
Berlin - “Lex Heinze” vom Reichstag angenommen
In
Berlin
nahm
der
Deutsche
Reichstag
nach
lebhafter
Debatte
den
Arbeitge
ber-
und
Kunstparagraphen
die
”Lex
Heinze“
an.
Die
”Lex
Heinze“
war
ein
Gesetz
zur
Änderung
des
Reichsstrafgesetzbuches,
mit
dem
in
Deutsch
land
die
öffentliche
Darstellung
”unsittlicher“
Handlungen
in
Kunst
-
werken,
Literatur
und
Theateraufführungen
zensiert
sowie
der
Straftatbe
-
stand der Zuhälterei eingeführt wurde.
Zur Geschichte der “Lex Heinze”
1891
wurde
in
Berlin
ein
Ehepaar
aus
dem
Rotlichtmilieu
wegen
Mordes
angeklagt.
Der
Töpfer
Gotthilf
Heinze
und
seine
Frau
Anna,
eine
Prostitu
-
ierte,
sollen
über
mehrere
Tage
ein
Mädchen
festgehalten,
sexuell
miss
-
braucht
und
schließlich
getötet
haben.
Während
des
Prozeßes
hatte
sich
herausgestellt,
daß
Heinze
nicht
regelmäßig
in
seinem
Beruf
arbeitete,
son
-
dern
von
den
Einkünften
seiner
Frau
lebte.
Der
Öffentlichkeit
wurde
klar:
Das
Prostitutionsgeschäft
blühte.
Vor
allem
der
Kaiser
war
entsetzt.
Er
brachte
eine
Gesetzesinitiative
auf
den
Weg
und
forderte,
daß
Zuhälter
strafrechtlich
belangt
werden
sollten.
Der
Gesetzentwurf,
der
bald
nur
noch
"Lex Heinze" hieß, umfaßte drei Paragraphen:
Durch
den
"Kunst-
und
Schaufensterpara
-
graphen"
soll
die
Verbreitung
von
Bildern
oder
Schriften
"...
welche,
ohne
unzüchtig
zu
sein,
das
Schamgefühl
gröblich
verletzen
..."
unterbunden
werden.
Gemeint
sind
alle
Arten
von
Bildern
und
Schriften
-
auch
Kunstwerke,
die
nicht
in
unzüchti
-
ger
Absicht
entstanden
sind,
aber
so
interpretiert
werden
können.
Bilder
von
Peter
Paul
Rubens
etwa oder die Venus von
Sandro Botticelli
.
Der
"Arbeiterparagraph"
drohte
jenen
mit
Strafe,
die
Frauen
"...
zur
Duldung
oder
Verübung
unzüchtiger
Handlungen
bestimmen
..."
,
also
Kupplern oder Zuhältern.
Der
"Theaterparagraph"
sah
für
denjenigen
Gefängnis
vor,
”...
der
öffentlich
theatralische
Vor
-
stellungen,
Singspiele,
Gesangs-
oder
deklamato
ri
-
sche
Vorträge,
Schaustellungen
von
Personen
oder
ähnliche
Aufführun
gen
veranstaltet
oder
leitet,
welche
durch
gröbliche
Verletzung
des
Scham-
und
Sittlichkeitsgefühls
Ärgernis
zu
erregen
geeig
-
net sind ...“
.
Kunst
soll
erheben
und
nicht
in
den
"Rinn
-
stein" niedersteigen, wie der Kaiser es ausdrückte.
Berlin - Vortrag in der DMG
Auf
einer
Sitzung
des
Berliner
Zweigvereins
der
Deutschen
Meteorologischen
Gesellschaft
(DMG)
hielt
der
Meteorologe
Reinhard
Joachim
Süring
einen
Vortrag
über
”Beobachtungen
von
Haufen
-
wolken bei starkem Winde“.
Inhalt
Inland
Seite 01
Ausland
Seite 02
Rubens, Peter Paul
1577 - 1640
Botticelli, Sandro
1445 - 1510
Süring, Reinhard
Joachim
1866 - 1950
Ausland
Großbritannien
London - Unterhaus genehmigt Nachtragshaushalt
Da
wegen
des
Burenkrieges
zusätzlich
120.000
Soldaten
ausgehoben
wor
-
den
waren,
genehmigte
das
bri
ti
sche
Unterhaus
in
London
den
Nachtrags
-
haushalt in Höhe von 13 Millionen Pfund (265,6 Millionen Mark).
Spanien
Valladolid - Tumultartige Szenen im spanischen Senat
Im
spanischen
Senat
in
Valladolid
kam
es
zu
tumultartigen
Szenen,
als
der
Antrag
gestellt
wurde,
daß
die
für
den
Verlust
der
spanischen
Kolonien
an
die
USA
im
Jahre
1898
verantwortlichen
Generale
als
unwürdig
und
ehrlos
zur
Rechenschaft
gezogen
werden
sollten.
1898
hatte
Spanien
Kuba,
Puerto Rico und die Philippinen an die USA verloren.
USA
US-Senat ratifiziert Haager Empfehlungen
Der
amerikanische
Senat
ratifizierte
die
Beschlüsse
der
”Ersten
Haager
Friedenskonferenz“.
Die
Anerkennung
der
rechtlich
unverbindlichen
Empfeh
lungen
war
eine
Geste
des
guten
Willens
und
unterstrich
die
Absicht
der
USA,
auf
eine
friedliche
Weltordnung
hinzuarbeiten.
Besonders
die
Ein
-
richtung
eines
Internationalen
Schiedshofes
zur
Beilegung
von
Konflik
ten
stand im Zentrum der amerikanischen Bemühungen.
Zur Geschichte der “Haager Friedenskonferenz”
Auf
Initiative
des
russischen
Zaren
Nikolaus
II.
hatten
sich
in
der
Zeit
vom
18.
Mai
bis
29.
Juli
1899
im
holländischen
Den
Haag
Vertreter
von
26
Län
-
dern
zur
”Ersten
Haager
Friedenskonferenz“
getroffen.
Gemeinsam
sollte
versucht
werden,
einen
Weg
zur
”Koexistenz“
der
Nationen
zu
fin
-
den.
Nach
Abschluß
der
Nationalstaatenbildung
in
Europa
war
es
in
den
vorangegangenen
Jahren
verstärkt
zu
Spannungen
gekommen,
vor
allem
in
den
afrikanischen
und
asiatischen
Kolonialberei
-
chen.
Vier
Punkte
hatte
der
russische
Außenminis
-
ter
Michael NikolajewitschGraf Murawjew
ins Zentrum gestellt:
1. die Sondierung eines möglichen Aufrüstungsstops,
2.
die
Übernahme
der
Genfer
Konvention
von
1864
auch
für
den
Seekrieg,
3. internationale Vorschriften über Kriegführung und
4.
die
Stärkung
der
internationalen
Organisationen
und
Institutionen
zur friedlichen Beilegung politischer und militärischer Streitigkeiten.
Da
die
schließlich
gefaßten
Beschlüsse
in
keiner
Weise
bindend
waren,
erbrachte
die
Konferenz
erwartungsgemäß
nur
unverbindliche
Emp
-
fehlungen:
Mit
einer
Resolution
über
die
Beschränkung
der
Militärlasten
wurde
den
Regierungen
nahegelegt,
Möglichkeiten
zur
Umsetzung
dieses
Be
schlußes
zu
überprüfen.
Die
nächste
Friedenskonferenz
wird
1907
statt
-
finden.
Deutsches Reich,
Dienstag,
06. Februar 1900
Seite
2
Nikolaus II. - Nikolaj
Alexandrowitsch ...
1868 - 1918