An Habsburgs Adler ...
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Könnt’ ich der Zukunft ...
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An Habsburgs Adler
Adler, der du hast genistet,
Lang auf deutscher Eiche Stamm,
Bis von Schlangen überlistet
Du heruntersankst zum Schlamm:
Willst nicht in den alten Kronen,
Alter Adler, wieder wohnen?
Warum blickst du ungeduldig,
Deutscher Adler, südwärts nur,
Wo dir Früchte fremd und guldig
Winken auf ital'scher Flur?
Willst in Wäldern von Zitronen,
Deutscher Eichenadler, wohnen?
In den süßen Blüthendüften
Findest du dich nicht zu Haus,
Von den weichen, welschen Lüften
Gehen dir die Federn aus.
Willst nicht in den heim'schen Zonen,
Wo du groß geworden, wohnen?
Nicht die fremde Pomeranze
Ist's, die dir gehört zunächst,
Der Reichsapfel, der im Glanze
Hier an deutscher Eiche wächst.
Willst bei Apfel, Stab und Kronen
Nicht auf unsrer Eiche wohnen?
Willst du einen andern lassen
Auf der deutschen Eiche bau'n?
Oder soll sie gar verlassen
Bleiben, ohne Schirm und Zaun?
Willst nicht in den alten Kronen
Alter Adler, wieder wohnen?
Friedrich Rückert Aus "Vaterland - Zeitgedichte 1814-1815"
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Könnt’ ich der Zukunft
Könnt' ich der Zukunft ihren Schleier lüpfen,
Zu sehn dahinter einen, der geboren
Einst werden wird und vom Geschick erkoren,
Des Vaterlandes Fesseln abzustrüpfen!
Wie Geister seinen Lebensfaden knüpfen,
Und seinen Ruhm sich raunen in die Ohren;
Ein Mutterschooß in noch geschlossnen Thoren
Fühlt ungestüm den künft'gen Helden hüpfen!
Gesegnet sei die Brust, die einst ihn säuget,
Die Wiege glückgeschaukelt, die ihn fasset,
Das Auge selig, das ihn siehet lebend!
Noch eh du wardst, hat dich mein Gruß bezeuget;
Und bin ich, wann du wurdest, längst erblasset,
So grüß' ich dich, ein Geist, auf Wolken schwebend.
Friedrich Rückert - Aus "Vaterland - Geharnischte Sonette"
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