Bis Morgens sie wieder erwachet ...
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Das Ei des Pinguin ...
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Das marmorne Herz ...
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Der Einsame ...
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Die Obsthochzeit ...
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"Ein Traum im Traum" oder
"Der Waldschrat und das Irrlicht" ...
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Ein Wunsch und Ihr Bild ...
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Gedanken ohne Halt ...
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Mein Leben ...
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Nachtwald ...
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Und was ihn biß ist ungewiß ...
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Visão ...
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Was ich einst verloren hatt’ ...
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Bis Morgens sie wieder erwachet ...
Der Frühe des Morgens ein Röschen erwacht,
Es gähnet und streckt sich gar leis und bedacht;
Der Nebel sie müde umschleichet.
Die Blüten und Blätter sind frostig bedeckt.
Sie zittert vor Kälte, nun ist sie geweckt!
Vom Hauche des Tages bestreichet.
Da blitzet durch Wolken ein sonniger Strahl -
Der erste des Tages! In blendender Qual,
Das Lager des Röschens er findet.
Das Lichte, die Wärme, gar freundlich sie neckt.
Ihr rötliches Köpfchen zum Himmel sich reckt,
Und langsam die Schläfrigkeit schwindet.
Der Nebel, er flimmert zur Sonne hinan,
Verweht durch den klaren Zephir, und fortan
Ein Lüftchen das Röslein erreichet.
Auf Blättern und Blüten da taut es entzückt.
Gleich fallen die Tropfen, sie schauet beglückt -
Das eisige Tuch von ihr weichet.
Da öffnet sie sich! Und nach einiger Zeit
Erbebet das Rötliche, Schöne, das Kleid,
Als wenn sie nun innerlich lachet.
So steht sie des Tages in zärtlicher Pracht
Und harret verängstigt der finsteren Nacht,
Bis Morgens sie wieder erwachet!
© Das Deutsche Dichterroß - November 1988
Das Ei des Pinguin ...
Im hohen Norden - fernen Land -
Da hockt auf einem Schollenrand
Ein Pinguin mit seiner Brut,
Das Deutsche Dichterroß
"Handlungen und Wandlungen"
Inmitten schönster Abendglut,
Und wartet alle Tage
Auf Regung im Gelage.
Dies stört des Eisbärs böser Sinn,
So schleppt er hungrig sich dort hin.
Ein wildes Schnattern ihn empfängt,
Vom Pinguin, der sich verrenkt
In flatterhafter Weise.
Man hindert seine Kreise!
Der Eisbär gleich sein Messer wetzt,
Den Pinguin besonders schätzt.
Doch plötzlich lächelt der verschmitzt,
Weil ihm der Schalk im Nacken sitzt,
Und stiehlt dem Bär die Gabel
Mit seinem spitzen Schnabel.
Der Bär vergrämt den Diebstahl sieht,
Zum Kampf das scharfe Messer zieht.
Worauf der Pinguin verdutzt
Die Gabel als Florett benutzt,
Um diesen zu parieren
Mit Stiche in die Nieren.
Es brüllt der Bär, das Messer fällt;
Der böse Bube ist gestellt
Und wollte vor dem Pinguin
Nun voller Demut niederknien,
Um unter seinen Tritten
Sich Gnade zu erbitten.
Doch Pinguine sind nicht fein!
Er nimmt aus seinem Nest sich ein
erwärmtes Ei und wirft's genau
Dem Bären auf sein Schädelbau;
Dort fließt es zäh und schnoddrig
Und flugs, da wird's ihm koddrig.
Bevor der Magen ganz verstimmt,
Er Reißaus vor dem Vogel nimmt.
Und durch der Masse trägen Schwung
Vollführt er einen kühnen Sprung
Ins tiefe Eisgewässer.
Ich glaub, so ist's auch besser!
© Das Deutsche Dichterroß - März 1989
Das marmorne Herz ...
In eines Herzens Kämmerlein tief,
Aus baulich blassem Steine,
Da lag ein zartes Mädchen und schlief
Beraubt der Engelsreine.
Ein weißes Hemdchen hatte es an
Und auf ihr lag der alternde Bann
Eines marmornen Herzens.
Dort herrschte Frost, die Finsternis hing
Verbissen in dem Raume.
Und Donnern schwoll dem zierlichen Ding
Entgegen, wie im Traume.
Vom eis'gem Kleide schweigsam und steif,
So haucht' ihr Atem kristall'nen Reif
Auf die fahligen Wände.
Es dröhnt' das Herz, es bebte die Luft!
Das Donnern ward zum Grollen.
Gewitter zog, in eisiger Gruft,
Zusammen, trüb verquollen.
Nach hundert Jahren einsamer Nacht
Verging der Schlaf, das Mädchen erwacht'
Unter finsteren Sternen.
Ein Sturm erhob sich wütend und brüllt'
Und braust' im wilden Reigen.
Das Mädchen war von Ängsten erfüllt,
Von Ängsten wie vom Schweigen.
Da schoß es gleißend mit Krach hinab -
Ein Blitz, ein silberner Lichterstab! -
Aus den düsteren Wolken.
Gewaltig schlug er neben ihr ein,
Mit rauchend glut'ger Hitze.
Das Deutsche Dichterroß
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Und aus dem Nebel formte sich fein
Ein Bein und Kopf und Mütze.
Nun trat heraus der nebligen Wand
Ein greiser Zwerg! Mit zittriger Hand
Tanzt' er lustig ums Lager.
Sein Haar hing wie verfilztes Gestrauch,
Und auch der Bart, der lange.
Ein grünes Jäckchen zierte den Bauch,
Der Hose eine Spange.
Die spitzen, krummen, zierlichen Schuh,
Sie tanzten ohne jegliche Ruh
Um das ängstliche Mädchen.
Ach schnell und schneller wirbelt' der Tanz!
Der Zwerg beschwor mit Schwingen
Der Arme einen heiligen Kranz,
Den Herzensbann zu zwingen.
Doch plötzlich sprang er neben ihr hin
Und sah, mit hoch erhobenem Kinn,
Starr den Wolken entgegen.
Und durch des Blickes zaubernder Macht
Zerstob das graus'ge Wetter.
Das Dunkle einer eisigen Nacht
Umgab den Wicht - den Retter!
Da ward das Antlitz des Zwerges klar,
Ein Licht umschmeichelt' ihr schwarzes Haar;
Fistelnd sprach er zur Holden.
"Ei! Was birgst Du fröstelnd Bange
Dein Gesicht?
Kennst mich nicht?
Bin schon ewig, bin schon lange,
Wächter Deines Herzens Schlaf!
Sah die wunde
Frohe Stunde.
Oh welch Glück, daß ich sie traf."
"Hat die Angst sich Dir empfohlen?
Warte nur,
Ich bin stur.
Liegt das Eis auch ganz verstohlen
Über Deines Mundes Wort.
Aus dem bösen
Bann erlösen
Soll sie Dich und ich bin fort!"
"Doch erschrick nicht vor der Flamme!
Die bin ich -
Wunderts Dich?
Denn das Feuer wird die Ramme,
Welche lodernd sprengt das Tor.
Sie bedeutet:
Freiheit läutet -
Klingt als Märchen mir im Ohr."
Das süßliche Stimmchen verklang.
Vom Lager gesprungen bewahrt'
Den Tanz er, in neckischer Art,
Und niedlich ein Liedchen nun sang:
"Hei dann bin ich diesem Marmor,
Diesem Herzensbann entfloh'n.
Offen stehet weich das Eichtor;
Licht und Wärme sei der Lohn.
Wirst im lauen
Frühling tauen!
Wand des Herzens pocht im Hohn."
"Wand des Herzens pocht im Hohne;
Rauscht das Wasser, gleich dem Blut!
Vor dem Tore schleicht ein Sohne
Mit ergeb'ner Liebesglut.
Wird Dich sehen,
Rascher gehen,
Waten durch die nasse Flut."
"Waten durch die nassen Fluten,
Bis er in den Armen Dein.
Habt gefunden euch im Guten?
Liebe glänzt im güld'nen Schein
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Beider Herzen
Ohne Schmerzen;
Euer Schicksal wird es sein!"
Den Tanz, den Gesang er beschwor!
Und plötzlich verwandelt' der Zwerg
Sich züngelnd zum feurigen Berg;
Da schoß er so berstend ins Tor.
Ein Schweigen folgte! Klopfen erklang
In jener Grabesstille,
Und dumpfig leis' durchs Kämmerlein drang,
zu ihres Körpers Hülle.
Betörend spielt' in ihrem Gesicht,
Vom Spalt des Tors, ein winziges Licht -
Hell und heller erleuchtend.
Da knarrt' und ächzt' am Tor es sogleich
Und größer ward die Spalte.
Als Donnern durch das marmorne Reich
Sich an den Wänden hallte.
Ein Glanz betrat das kühle Gemach,
Verstohlen in den Lichtern es stach -
In den Lichtern der Liebsten.
Sofort begann es tüchtig zu tau'n
Im warmen Frühlingswinde.
Ein Lüftchen folgt' dem anderen lau'n
In die gefrohr'nen Gründe.
Das Eis, es schmolz von Decke und Wand!
Ja selbst von ihrer göttlichen Hand
Floß ein Rinnsal hernieder.
Und plötzlich schlug die Augen sie auf,
Erwachte aus der Steife.
So kam des Schicksals gütiger Lauf -
Erblüht' in schönster Reife.
Sie schaute trüb zur Decke empor,
An dem sich haltend das Eis verlor,
Gleich den arktischen Schollen.
Das bleiche Herz pulsierte im Takt.
Es sank und wollt sich heben;
Ein Pochen, Rauschen, teuflischer Pakt
erscholl - nun will es leben!
Der fahle Marmor zuckte verzückt,
Weil Blut sich durch die Äderchen drückt' -
Rosig strahlten die Wände.
Vom Tor beschien ein flutender Glast
Des Marmorbodens Flüsse.
Ein Schatten kam, in eiliger Hast,
Bestürmte sie mit Küsse.
Der Schatten war ein Jüngling, ein Knab,
Er setzt' sich zu dem Mädchen hinab;
Lieb umarmten sich beide.
Doch unbemerkt dem liebenden Kreis,
Hatt' leis' sich's Tor geschlossen.
Das Herze wurde weißer und weiß;
Wohin war's Blut verflossen?
Die Wände schlugen langsamer schon!
Im letzten Takte quält sich ein Ton -
Pochte schwer ums Bestehen.
Da stand es still! Kein auf und kein ab
Bewog das Herz zum pumpen.
Und Marmor ward ein eisiges Grab,
Ein toter, bleicher Klumpen.
Die Kälte zimmert' eisig den Sarg,
Indem es Knab und Mädchen verbarg -
Eng umschlungen auf ewig!
© Das Deutsche Dichterroß - Juli 1988
Der Einsame ...
Ein einsam Gemüte erscheint mir genügend
Verlegen, um Törichtes klug zu ersinnen.
Gelangten nicht manchem schon wirre Gedanken,
Vom Pinsel der Einfalt im Kopfe gezeichnet,
Sobald er alleine mit sich und der Welt?
Was schauet das Auge denn unter dem Lide
Das Deutsche Dichterroß
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An Bildern, vom Spiel des Gehirnes entworfen,
Die lieblich mit anderen Bildern sich balgen.
Und gleichsam erkennt man den Traum als ein wahres,
Zudem sich die Maske des Truges gesellt.
Wie fürchtet der Einsame jede Gesellschaft,
Solange die seine ihn selbst nicht gefährdet.
Er fliehet den grausamen Realitäten,
Entfleucht dem Banalen, der Lüge zuliebe,
Indes ihm phantastische Wahrheit gefällt.
Die Wahrheit umgarnt den geschliffenen Scharfsinn
Im eheverbrech'rischen Bett der Gefühle.
Bevatert der Scharfsinn die müden Ideen,
So muttert die Wahrheit um wehrlose Herzen,
Und folglich genießt sie, was Tränen erhält.
Da traurige Einsamkeit niemanden duldet,
Erblickt sie elegisches wütenden Auges.
Herablassend sieht sie zur Schwermut hernieder
Und wirft ihr ein dreckiges Hemdchen zu Füßen,
Auf dem sie ein achtloses Zeichen gewebt.
Die kränkliche Schwermut hingegen ist kraftlos
Und zittert im Fieber erniedrigten Stolzes.
Sie ziehet das schmutzige Hemdchen sich über
Das Haupt und bemerkt, daß Dasselbe, nun mutig,
Sich nur mit dem Blicke des Neides erhebt.
© Das Deutsche Dichterroß - Juni 1990
Aus "The uninvited Guest"
Die Obsthochzeit ...
Ein Apfel und 'ne Birne,
Die hatten sich sehr gern.
Ja runzelt nur die Stirne!
In beiden steckt ein Kern.
Und wenn der Kern die Kernin
Umwirbt, umbalzt, umstrickt,
Dann wird sie seine Freundin,
Tja dann hat es geklickt.
So lernten sie sich kennen
Auf einem Apfelbaum.
Und niemand sollt sie trennen:
Welch obstig-süßer Traum!
Die Birne ging nun täglich
Zum Apfelbaume hin.
Der Gang war ganz verträglich,
Denn er lag ihr im Sinn.
Doch ewig dieses Eilen
Vom Birn- zum Apfelbaum!
Sie möcht für immer weilen
An seines Rockes Saum.
Da zog sie auf der Stelle
Vom Birnebaum mit Hast,
Und hing, schlagartig schnelle,
Nun neben ihm am Ast.
Der Apfel, ohne maulen,
War in der Tat entzückt.
Jetzt konnt er Birne kraulen;
Fast hätt er sie erdrückt!
So lebten beide glücklich,
Zufrieden unterm Ast.
Und dieser bog sich schicklich,
Zu schwer war seine Last.
Ein jeder sah es bange,
Dies kleine traute Nest.
Ihr hängt schon viel zu lange!
Gleich bricht es, das Geäst!
Und aus des Platzes Mangel
An diesem holden Ort,
Entstand einher Gerangel,
Geführet mit dem Wort:
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"Ach, liebe Birn, ach liebe Birn!
Wat schleecht füa Falten Deene Stirn?
Wia such'n uns nen neu'n Ast,
Dea trächt schon unsa beeda Last.
Ea müßt zwa etwat jrößa sein,
Mit Zweijen etwa drei,
Doch dafüa hält de Last ea fein;
Wie hooch de Miet ooch sei."
"Ach, lieba Appel, liebe Frucht!
Een jrößra Ast, det wär 'ne Wucht.
Dann hätten wa, meen süßa Schatz,
Ooch endlich füa uns beede Platz.
Und uff de Miete scheiß ick doch;
bei unsa beeda Kies!
De Hauptsach wia sind aus'm Loch
Und fühln uns nich mea mies!"
Gesagt, getan! Nach Wochen schon
Bekamen sie des Wartens Lohn,
Und renovierten, voller Hast,
Gezweig, Geblüt und auch den Ast.
Nachdem das Mobiliar so stand -
Und jeder sich zurechte fand -,
Belegten sie das Sofa nun,
Um auszuruhn und nichts zu tun.
Doch taten sie allein dies nicht!
Die Arbeit rief, die läst'ge Pflicht.
So gingen beide, täglich schwer,
Von Ast zur Arbeit hin und her.
Des Apfels Arbeit - sein Beruf -
War das, was er mit Händen schuf.
Er nannte sich Mechanikus
Und manche sah'n es mit Verdruß.
Denn er begann den Meisterschein,
Um mehr als nur Gesell zu sein.
So lernte er bei Nacht und Tag.
Wie das wohl Birne finden mag?
Dieselbe aber fand es gut!
Sie machte Apfel stetig Mut,
Wenn dieser schrie aus tiefster Brust,
Um zu entladen seinen Frust.
Den, aus der Schule jede Nacht,
Er zornig mit nach Haus gebracht,
Veranlasst' ihn so manchesmal
Zum Veitstanz wie im Negerkral.
Und ab und an, da flog ein Buch
Gefolgt von einem leisen Fluch:
"Wat soll ick mit dem janzen Tand?"
Vernichtend an die Nesterwand.
Wonach die Birne ihn ganz sacht
Mit Anteilnahme hatt' bedacht.
Und jener Apfel ohne Gram
Zusammensucht' den Bücherkram.
Wie paukte er so intensiv -
Daß Birne fast den Doktor rief -
Damit er diese Prüfung schafft
Infolge seiner Willenskraft.
Verteufelt schnell verging die Zeit!
Beschleunigt durch die Emsigkeit,
Die Apfel an den Tag gelegt,
Verringert sie sich unentwegt.
In einer schulisch müden Nacht,
Als Apfel sich nach Haus gebracht,
Da hockte Birne - ziemlich frisch -
Erwartungsvoll an einem Tisch:
"Ach, lieba Appel, liebe Frucht!
Ick hab wat, det is eene Wucht.
Nu setz da erstma zu mia hea
Und kieck ma nich so an vaquea.
Denn det wat ick zu sajen hab,
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Det brinkt da wieda jleich uff trapp."
"Ach, liebe Birn! Ach, liebe Birn!
Mia dreht sich allet im Jehirn.
Wat haste denn? Wat is'n los?
Jetzt bildet sich im Hals'n Kloß,
Ick kann schon nich mea sprech'n nich.
Nu sach schon! Wat beunruhicht Dich?"
"Nu bleib ma cool
Und nimm'n Stuhl,
Und setz da endlich hin.
Is dia denn janischt uffjefalln,
Det sich in mia Jefühle balln,
Ick andas zu Dia bin?"
"Ick gloob et kaum,
Det is'n Traum!
Wat willst'e denn von mia?
Ick schuffte füa'n Meestaschein.
Wat soll mia uffjefalln sein?
Ick seh nua noch Papia."
"Jedulde Dia.
Jetzt bleib ma hia!
Und nu bekieck ma an.
Nich ins Jesicht, Mensch! Uff'n Leib!
Akennst'e wat de Deenem Weib
In eena Nacht jetan?"
"Ick seh da nischt!
Hat's da awischt?
Du siehst wie imma aus.
Und übahaupt hab ick de Nacht
Am meisten schlaf'nd zujebracht.
Jetzt komm schon damit raus!"
"Dea Schwangatest,
Ea hielt et fest,
Dat ick'n Kirschlein krich.
Da et im dritten Monat weilt
Und sich dea Rest dea Zeit beeilt,
Wirst'e bald Vätalich."
"Det is'n Witz!
Mia trifft dea Blitz.
Na, is det denn ooch wah?
Wie kommt et denn? Det kann nich sein!
Ick fass et nich, 'n Kirschilein!
Dann wirst'e ja Mama."
"Wie kommt et denn?
Wie kommt et denn?
Muß ick Dia denn noch sajen,
Wie sowat wird jemacht?"
"Ick weeß det schon,
Ick weeß det schon!
Da brauch ick keenen frajen.
Dea Stoach hat's Dia jebracht."
Wie dieses sich nun zugetragen,
Vermag ich leider nicht zu sagen.
Selbst Apfel schwieg und Birn war stille.
Für Obst gibts halt noch nicht die Pille!
Wie dem auch sei, es so geschah.
Den beiden ging es gänzlich nah,
Daß sich noch wer hinzugesellt.
Da ward ein Aufgebot bestellt.
Doch ehe es zur Hochzeit ging,
Wo man verzweifelt sucht den Ring,
War Polterabend angesagt,
Der kurz vor einer Heirat tagt.
Am Polterabend kamen dann
Familie, Freunde, Fremde an,
Damit man ja kein Fest versäumt,
Indem das Bier aus Gläsern schäumt.
Ein Haufen Obst stand an der Bar
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Und tranken erst einmal ein paar.
"Zur Sicherheit", wenn man gefragt.
Und auch: "Weil Zipperlein mich plagt!"
Es wurde stundenlang gelacht
Und sonst'ger Schabernack gemacht.
Getanzt, gespielt und auch der Drang
Zu singen war ein übler Hang.
Banane, Pflaume, Ananas,
Die hatten daran sehr viel Spaß.
Sie sangen hoch und falsch und laut,
Worüber niemand war erbaut.
Pfirsich schlunzte mit der Mango
Über das Parkett, zum Tango.
Wirbelnd drehte Apfelsine
Seine kleine Clementine.
Rücklings schlich auf Gummisohlen
An das Tangopaar verstohlen,
Kiwi wie vom Wahn besessen,
Um die Schrittanzahl zu messen.
Trunken saß die Stachelbeere,
Schaut was da zu zählen wäre.
Guckt begierig, beugt sich tiefer,
Fiel vom Stuhl und auf den Kiefer.
Diesem Sturz der Stachelbeere
Kam der Apfel in die Quere,
Welcher mit graziösen Schritten
Trippelnd stürzte zu den Quitten.
Und das Glas aus seinen Händen
Fiel, um nasses auszusenden,
Einer Quittin auf das Köpfchen;
Feucht und strähnig hing ihr Zöpfchen.
Quitte dacht sich aufgefordert,
Daß zum Tanze sie beordert.
Flugs wollt sie sich Apfel greifen,
Um ihn auf's Parkett zu schleifen.
Wirr entstand ein Handgemenge,
Daß der Apfel im Gedränge
Von der Quitte konnte fliehen,
Um den Tanz sich zu entziehen.
Kürbis konnte gar nichts stören.
Er schien alles kaum zu hören,
Langte, durch die Masse schwierig,
Auf die Tafel, allzu gierig.
Riss mit Eifer an dem Brote,
Zerrte hastig an der Schote,
Schlug der Dattel auf die Arme:
"Die lass mia, die Wurscht, die waame!"
Um nun an die Wurst zu kommen
Streckte er sich, halb benommen,
Übern Tisch mit seinen Massen
Und zerschlug dabei die Tassen.
Aufgeschreckt von dem Geklirre,
Sprang er auf den Tisch, wie irre,
Wälzte sich von den Salaten
Rüber bis zum Schweinebraten.
Dieses hat die Feig' gesehen,
Blieb wie angewurzelt stehen.
Da sie aufgetan sich hatte,
War vom Anblick sie schon satte.
Plötzlich rannten ein paar Trauben
An den Tisch, um abzustauben
Was die Feige nicht mehr mochte.
Als es an der Türe pochte.
Und hinein trat eine Bohne,
Setzte sich zu der Melone.
Fragte dreist und frech die Kirsche:
"Wat sind det denn hia füa Hirsche?"
Da die Bohne ziemlich knülle,
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War der Kirsche dies zu fülle.
Nun begann sie wild zu fluchen:
"Wat hast Du denn hia zu suchen?"
Alles was nach Obst ausschaute
Sich so um die Bohn aufbaute.
Doch Gemüse dieser Sorte
Fühlt sich wohl an jedem Orte.
Unbeschreiblich, was geschehen!
Dieses muß man halt gesehen.
Alles stürzte auf's Gemüse,
Wie der Koch in die Kombüse.
Zerrten, drängten sie zum gehen;
Bohne konnt es nicht verstehen.
Ehe sie ein Tanz genossen,
War die Tür vor ihr verschlossen.
Munter ging das Treiben weiter.
Jeder war sehr fröhlich, heiter,
Nur die eine war beklommen;
Sie hat gar nichts mitbekommen.
Durch verliebtes Augendrehen
Gab sie kund und zu verstehen,
Daß sie jemand, unverdrossen,
Hatte in ihr Herz geschlossen.
Um den Günstling anzusprechen
Wollt sie eine Lanze brechen.
Ja nach manchem Gläschen Sekte,
Kommt hervor das ganz versteckte.
Die verliebte Aprikose
Gab Zitrone eine Rose,
Um dem Pfirsich sie zu geben.
War der nicht gegangen eben?
Schade, schade! Aus dem Plane
Wurde essigsaure Sahne.
Und in ihrem Kummerleiden
Ward sie ruhig und bescheiden.
So verging die Nacht zum Tage.
"Jemand nüchtern?" blöde Frage.
Wenig gröhlten unbefangen,
Andre waren schon gegangen.
Und um Fünfe ging der Letzte,
Was die Birn besonders schätzte.
Aufgeräumt und schnell nach Hause;
Erstmal eine Ruhepause.
Die Ruhepause ist zu End.
Nun reichen beide sich die Händ
Und stehen vor dem Standesamt
Und traun sich nicht hinein, verdammt!
Doch stupst von hinten sie hinein,
Ein freches kleines Kindelein.
Es sagt in seinem Umgangston:
"Nu jeht doch rinn, nu macht doch schon!"
Der Apfel zerrt, die Birne klagt;
Dann Birne schiebt und Apfel zagt.
Und plötzlich sind sie beide drin!
Der Rest weiß nicht so recht wohin.
Als alle nun versammelt sind,
Da rast durchs Zimmer, ganz geschwind,
Ein Spargel mit der Aktenmapp
Und rennt und rennt, die Zeit wird knapp.
Der blaue Anzug stehet nicht
Dem weißen Spargel zu Gesicht.
Doch harmoniert sein grünes Haar
Zu gelben Schuhen wunderbar.
Die Anstandsstrippe fliegt herum,
Nun setzt er sich, ganz still und stumm,
Beschwerlich in den Stuhl hinein
Und ordnet die Papiere fein.
Nachdem auch dieses ist vollbracht,
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Erhebt er sich gemächlich, sacht,
Und schaut und sucht, und grüßt und nickt
Solang bis er das Paar erblickt.
Jetzt hat er sie im Augenmerk;
Sodann beginnt sein Tagewerk,
Indem er eine Rede hält
Und sich dabei sehr gut gefällt.
"Ach. lange Rede kurza Sinn.
Jibst Du da Birne Appel hin?
Aah ja, Nu jut! Und Appel, Du?
Jibst Du Deen Jawoat ooch dazu?"
"Nu küsst euch noch. Is jut, jenuch!
Dann wünsch ick euch 'n juten Fluuch,
Denn jetzt seid ihr ja Mann und Frau.
Wo fliecht'a eijntlich hin jenau?"
Alles Glück wünsch ich den beiden.
Sie solln stets im grünen weiden,
Wo die Lebenssonne scheint.
Nicht das Kirschlein zu vergessen,
Das ganz mutig und versessen,
Bald das Licht zu sehen meint.
Diesen Dreien wird das Leben
Hoffentlich viel schönes geben.
© Das Deutsche Dichterroß - Oktober 1988
"Ein Traum im Traum"
oder
"Der Waldschrat und das Irrlicht" ...
In einem sumpf'gen Wald ich schlief,
Fest unter einem hohlen Baum.
Es ging ein Wind durch meinen Traum, er fluchte bässern tief,
In meine kleinen Ohr'n hinein, als wenn er zu mir rief.
- Ich hör es kaum; das kann nicht sein! -
Drum schlug ich auf die Augen mein.
Oh Finster war's um mich herum;
So sucht' ich in der Ferne dreist.
Doch steht gar manches näher meist, wie er, am Baume krumm,
Trüb angestrahlt vom Mondenschein - bedrohlich, bös und stumm.
- Es ist ein Geist?! Das kann nicht sein! -
Drum rieb ich mir die Augen mein.
Ein Nebel durch den Sumpfwald kroch,
Die Sicht war nicht mehr allzu klar.
Sehr schmutzig hing sein zott'ges Haar, das faul und eklig roch,
Zum Teil im Spalt des Baums hinein; entstieg er aus dem Loch?
- Höchst sonderbar. Das kann nicht sein! -
Drum kniff ich zu die Augen mein.
Auf einmal drang ein irres Lachen
Entrückt zu meines Lagers Statt.
Ein leises Zischen hört ich matt und dann ein hohles Krachen,
Denn schwer fiel neben mir ein Stein - er ließ mich horchend wachen.
- Solch Kraft er hat? Das kann nicht sein! -
Drum schlug ich auf die Augen mein.
"Was willst Du hier in meinem Sumpf?"
Sprach barsch zu mir der zott'ge Schrat.
Und als er klobig näher trat, sein Fell war naß und stumpf,
Da wollt vor lauter Angst ich Schrei'n, doch röchelt ich nur dumpf.
- Er schwer sich naht; das kann nicht sein! -
Drum rieb ich mir die Augen mein.
Aus allen Por'n mir Wasser troff
In jener graus'gen Mondscheinnacht.
"Hast Du mir etwas mitgebracht?" frug er gleich ziemlich schroff
Und striff mit seinem rechten Bein zart meines Ärmels Stoff.
- Ich spürt' es sacht. Das kann nicht sein! -
Drum kniff ich zu die Augen mein.
Im Geist hatt ich mir vorgestellt,
Daß er bedenklich nah mir sitzt.
Mein Hemd war gänzlich durchgeschwitzt, die Nacht war mir vergällt,
So schaut ich in sein Maul hinein, sah Zähne stumpf entstellt.
- Sein Auge blitzt'; so wird es sein! -
Drum fügt ich mich dem Schicksal mein.
Das Deutsche Dichterroß
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Es hing die böse furch'ge Fratze
Vor mein entsetztes Angesicht.
Zu flüchten war nun meine Pflicht, von meines Lagers Platze,
Doch saß ich starr voll Höllenpein, als er erhob die Tatze.
- Mein Hals er bricht. So wird es sein! -
Drum fügt ich mich dem Schicksal mein.
Auf einmal stürzte dieser Schuft
Sich über mich und meine Seele.
Er drückte fest des Halses Kehle, raubte mir die Luft,
Als möchte er im Sumpf allein genießen diesen Duft.
- Das gern er quäle; so wird's sein! -
Drum fügt ich mich dem Schicksal mein.
Ach grauenvoll hatt' er gelacht
Und wog mich armen leichten Wicht.
"Warum er mich denn nicht ersticht?" hab ich bei mir gedacht;
"Warum hab ich im Mondenschein nur diese Nacht verbracht?"
- Ich wehr mich nicht; so wird es sein! -
Drum fügt ich mich dem Schicksal mein.
So zwischen den behaarten Klau'n
Erkannt ich rasend: Ich erstick'!
Das Blut floß in den Adern dick und wollte sich grad' stau'n,
Und meine Augen wurden kleiner unter ihren Brau'n.
- Ein irrer Blick. So wird es sein! -
Drum fügt ich mich dem Schicksal mein.
Wem könnt' ich dieses Leid nur klagen.
Mein Leben schlich zum Tode hin.
"Ob ich danach ein Engel bin?", das wollte ich ihn fragen,
"Der sich auf Schwingen golden-rein, zum Himmel möchte tragen?"
- Gibt's einen Sinn? So wird es sein! -
Drum fügt ich mich dem Schicksal mein.
Die Strahlen durch die Lider drangen,
Ein buntes Flimmern ich dort sah.
Den tausend Himmelschören nah, die mir zum Abschied sangen,
schwebt' ich hinauf zum Wolkenhain, wo gold'ne Sternlein prangen.
- Es so geschah? Das kann nicht sein! -
Drum schlug ich auf die Augen mein.
Der Schrat sucht' in der Flucht sein Glück,
Voll Angst, die ihm die Kraft verlieh.
Mein Tod entsprang der Phantasie, gleich einem Gauklerstück;
So rannt' er fort vom Strahlenschein in seinen Wald zurück.
- Hervor trat sie! Das kann nicht sein! -
Drum rieb ich mir die Augen mein.
"Vom warmen Glanz sein Herze bricht,
So floh er rasch vor mir!" sie sprach.
Des Irrlichts Stimme hallte nach, getragen von dem Licht.
Es war ein Mädchen scheu und rein, mit lächelndem Gesicht.
- Ihr Licht mich stach? Das kann nicht sein! -
Drum kniff ich zu die Augen mein.
Doch klang die Stimme mir bekannt;
Gehört hatt' ich sie Jahr für Jahr.
Und plötzlich wurde es mir klar, wer da im Glanze stand.
Es war mein kleines Schwesterlein, umgarnt vom Lichterband.
- Ob sie es war? Das kann schon sein! -
Drum schlug ich auf die Augen mein.
In einem grünen Wald ich schlief,
Fest, unter einem alten Baum.
Die Sonnenstrahlen sah ich kaum, als ich geblendet rief:
"Wie geht es Dir, mein Schwesterlein? Hab ich geschlafen tief?"
- Ein Traum im Traum; das kann schon sein! -
Drum rieb ich mir die Augen mein.
Begann ich doch den Tag zu lieben;
Der Traum war bald Vergangenheit.
Gedanken von der schlimmen Zeit, die sind mir noch geblieben.
Den Waldschrat und das Irrlichtlein, sie hatte ich vertrieben.
- Ich bin befreit; das kann schon sein! -
Drum kniff ich zu die Augen mein
Und schlief erschöpft gleich wieder ein.
© Das Deutsche Dichterroß - April 1988
Ein Wunsch und Ihr Bild ...
In einsamer Nacht besah ich mir oft
Ein Büchlein und las es ganz still.
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Hab manchmal auf eines der Wunder gehofft,
Das Bilder, Figuren erscheinen; so oft
Der Wunsch es mir einprägen will.
Ach Wünsche, die nie sich erfüllen!
Doch gestern, nun endlich, da ward er erfüllt.
Ihr glühend bezauberndes Bild,
Es floh aus dem Buche. Vom Nebel umhüllt
Erschien sie, mit Degen; hat donnernd gebrüllt,
Mich milde belächelt - gewillt,
Mein pures Entsetzen zu bannen.
Sie nahte sich langsam, ich saß wie gebannt;
Ihr blaues Gewand ich bekam.
Liebkoste es zärtlich mit zittriger Hand
Und plötzlich die Angst und der Umhang verschwand,
Bevor ich's als Wahrheit vernahm.
Es wollte der Nebel sich lichten!
Da blitzte, wie silbern geflochtenes Licht,
Ihr wütender Blick auf mein Buch.
Ich spürte den Zorn als ein jüngstes Gericht
Und schaute verträumt in das hübsche Gesicht
Zu meinem erwünschten Besuch.
Der Degen umfuhr mich in Kreisen!
So hatte sie tanzend mein Wesen umkreist
Und stach mit dem Degen bedacht
Ins Büchlein hinein! Mein entmutigter Geist
Sprang auf und bestürmte die Wildernde dreist;
Umarmte sie innig und sacht,
In freudig verliebten Entzücken.
Mein Herze ward von den Gefühlen durchzückt,
Die jeder erahnt der verliebt.
Das Nebelgebilde war fort - wie verrückt!
Sie hatte ein Bild in die Hand mir gedrückt
Und sah mich, von weitem, betrübt
In sanfte Gedanken versunken.
© Das Deutsche Dichterroß - März 1989
Gedanken ohne Halt ...
Da steh ich nun in meinem Schmerz,
Und wund und offen ist mein Herz.
Ich bin enttäuscht von aller Welt
Und baue traurig mir ein Zelt,
In dem ich mich versteck.
Wie hab ich mich auf sie gefreut!
Was war ich innerlich zerstreut.
Wenn sie in meiner Nähe stand
Und ich berüh'rte ihre Hand,
Dann war ich voller Glück.
Das sollte alles nun vorbei?
Die Herzen rissen sich entzwei,
Weil Zeit der Tod der Liebe ist.
Mein Gott! Was hab ich sie vermißt,
Wenn sie nicht bei mir war.
Und jetzt; jetzt heilt die Stille nicht!
Der Kummer, der im Herzen sticht;
Die Sehnsucht, die mich weinen läßt;
Die Angst, daß sie mich ganz verlässt.
Das alles tut mir weh.
Ich denke, wie ein kleines Kind,
Daran, daß wir zusammen sind.
Und stell mir vor, so ungefähr,
Wie es mit Dir gemeinsam wär.
Gedanken ohne Halt.
Ich esse kaum und rauche viel;
Ich renne, ohne jedes Ziel,
Die Straßen kopflos auf und ab.
Wie wenig ich geschlafen hab,
Das zeigt mein Angesicht.
Und wenn ich durch die Straßen geh -
Die Wehmut liegt im bitt'rem Weh -
Dann denke ich sehr oft an Dich;
Das Deutsche Dichterroß
"Handlungen und Wandlungen"
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Verstehe dieses alles nich!
Wo bist Du? Komm zurück?!
Doch ganz vergeblich ist mein Schrei.
Das Glück, die Liebe scheint vorbei.
Du hörst mich nicht, Du bist so fern!
Dabei hab ich Dich doch so gern.
Verstehst Du mich denn nicht?
Nun schreib ich all das, unentwegt,
Was tief im Herzen mich bewegt.
Und stell mir vor, so ungefähr,
Wie es mit Dir gemeinsam wär.
Gedanken ohne Halt.
© Das Deutsche Dichterroß - Oktober 1988
Mein Leben …
Dem Leben nah, doch gleichsam fern den Dingen,
Sei jedes Schicksal mir - und jedes Handeln
Ein rechtes Maß, damit die engen Schlingen
Und Schleifen meines Daseins ich entknote.
Es mag der Wirrwarr stetig sich verwandeln,
In dieser Welt mir meinen Weg beschreiben,
Hingegen hilft, was dereinst mich bedrohte,
Der plumpe Zufall mir in meinem Sinne.
Denn wo ich weder stehen kann noch bleiben,
Blockiert er mir den Weg zum Neubeginne.
So folg ich Tag für Tag und Stund um Stunden
Dem Pfade, den das Schicksal mir bereitet,
Schon lange fühl ich mich gelenkt, geleitet,
An einem dünnen Faden festgebunden.
Der Puppe gleich bin ich ein Spiel der Mächte,
Beweg mich nur, weil sie am Faden ziehen,
Und wenn ich auch was großes täte, dächte,
Mein Leben jedoch ist mir nur geliehen.
Doch Trübsal fort, hinweg mit all der Trauer;
Dem Frohsinn reicht ein Lachen Eurer Herzen!
Um jedes Leid für immer auszumerzen,
Bedarf es nicht des Lebens ew'ger Dauer.
© Das Deutsche Dichterroß - April 1991
Aus "Die Gebrüder Reisenden"
Nachtwald …
Horch nur, wo Stille
Friedfertig wallt,
Nächtliche Fülle
Leise erschallt.
Rauschendes Wispern,
Knacken und Knistern,
Geistert so lüstern
Quer durch den Wald.
Heimlich umsäumen
Schaurige Laute
Alles Vertraute -
Rufen Dir zu!
Federnde Schwingen
Schwirren in Bäumen;
Käuze besingen
Schreiend die Ruh.
Winde durchziehen
Sträucher und fliehen
Hin zu den Träumen;
Jammernd im Nu.
Sieh nur! Ein Schleier
Finsterster Tracht,
Ist als Befreier
Lebend erwacht.
Silberne Schwaden
Wehen auf graden
Wegen und Pfaden
Schwer durch die Nacht.
Nebel umsäume,
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Fließend im Glanze,
Jegliche Pflanze
Grenzenlos dicht.
Mondlicht und Sterne
Setzen die Bäume,
Weit aus der Ferne,
Fahlig ins Licht.
Und es gestatten
Tanzende Schatten
Vielerlei Träume -
Ohne Gesicht.
© Das Deutsche Dichterroß - August 1989
Und was ihn biß ist ungewiß …
Der tragischen Komödie erster Teil:
Worin die wirren Folgen einer ungeahnten Tücke bestehen
Ich sitz vor einem Restaurant
Und speise, wie ich's oft getan.
Der Kohl ist gut, der Braten lecker,
Und wie ich grad die Gabel führe
Ertönt ein Wimmern - leis' Gemecker -
Gar kläglich von der Eingangstüre.
Ich schaue hoch, es fällt der Kohl
Nun mitten ins Geratewohl
Der Speise - platsch! und Soße springt,
So wie's ihr allzuoft gelingt,
Vom Teller auf das Tafeltuch,
Das ich sofort zu säubern such.
Mit hehrem Griff zum Kleckerlatz,
Wobei die Gabel einen Satz
Vom Tellerrand zum Erdensande
Vollführt und sich im Drecke räkelt,
Verwisch ich braune Seen zum Rande
Des Tisches, was den Nachbarn ekelt.
Ich putze hin - ich putze her,
Das weiße Tuch wird bräunlich sehr,
Drum lass ich ab von dem Pläsier:
"Die Gabel hol ich!" denk ich mir
Und kniee, betend wie ein Christ,
Um dort zu sein wo sie nicht ist.
So krauch ich unter das Gestühl
Und robbe, gleich dem Schuldgefühl,
Vorbei an krummen Beinen - Schuhen,
Die lustig zappelnd sich bewegen:
Nur hier kann meine Gabel ruhen.
Da! Neben einem Fuß gelegen,
Der, fraulich schmal mit leichtem Schritt,
Nun auch noch auf die Gabel tritt.
Geduldig, fast wie angeklebt,
Erwart ich, daß der Fuß sich hebt.
Doch scharrt er mir das Essbesteck
Nur tiefer in den Bodendreck.
Nach kurzer Zeit wird's mir zu dumm!
Die Gabel ist betreten krumm
Und ehe ich's noch recht bedenke,
Umfasse ich, mit kalten Händen,
Das zierlich hübsche Fußgelenke.
Ein spitzer Schrei: "Wer will mich schänden!"
Erläutert meine schnöde Tat.
Wer weiß was unterm Tisch sich naht?
Sie strampelt ängstlich, wild im Sinn,
Und trifft mit hartem Schuh mein Kinn,
Das deformiert um Ruhe raunt.
Da ist sie still, zugleich erstaunt!
Denn aus der Deckung taumle ich,
Benommen und verwunderlich,
Die Gabel wie zum Stich erhoben,
Dem Fräulein näher, gleich dem Mörder -
Den Mund, die Nase leicht verschroben -
Der böses Blut zu Tage förder.
Nun, wer das Buch des Lebens las,
Der stets das Unglück nie vergaß,
Das, wenn es sich zusammenstockt,
Das nächste froh und heimlich lockt.
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So folgt zum Tisch mir's Mißgeschick
Und hockt mir garstig im Genick.
Dies alles nur, weil blöde Gier
Den Menschen unsichtbar verzier.
Die Neugier - welche angeboren -
Auf jenen, der, mit schrägen Tönen,
mein Unheil hatt' heraufbeschworen,
Muß sich an's Schicksal erst gewöhnen!
Und diesen, der an allem Schuld,
erblicke ich mit Ungeduld.
Er steht noch immer an der Tür -
Der Ober, und er glotzet stier.
Sein dummes Antlitz reizt mich sehr
Zum lachen und zu vielen mehr.
Der tragischen Komödie zweiter Teil:
Wie der Ober in seltsame Gebärden verfiel
Behaglich platze ich mich gleich
Auf meinen Stuhl und stütze weich
Die Fäuste an die Wangenknochen,
Und auf den Tisch die Ellenbogen.
Als wenn der Ober was verbrochen,
Beäuge ich - wie ungezogen! -
Den ärmsten schmunzelnd, seine Not,
Die sich nun auszuweiten droht.
Der noch so kleinste Fehlentschluß
Bereitet oftmals viel Verdruß.
Und so, in schadenfroher Art,
Erahn ich Spaß mit Ulk gepaart.
An eines Rahmens Tür gelehnt
Jongliert er sein Tablett und gähnt.
Auf diesem stehen Gläser, Flaschen,
Die, schärbeln, klirren, trunken wanken.
Und als des Obers Wangentaschen
Nun hechelnd jenen Atem tanken,
Der seiner Lunge zugeführt,
Da wendet sich, ganz ungeniert,
Die Nase hin zum Himmelslicht.
Er prustet, schnappt nach Luft und bricht
Beinahe aus gepreßtem Mund;
Was wie ich mein sehr Ungesund!
Er weint und greint im Hecheltakt,
Verstört und ziemlich abgehackt.
So sucht er schnell ein Nasenlaken
Und will's grad aus der Weste ziehen,
Da öffnet sich der Börse Haken -
Sogleich die baren Mittel fliehen!
Mal bückt er sich, mal kerzt er auf,
Die Gelder rollen flink zu Hauf
Und beide Stufen - Kling! - hinab;
Der Ober näselt: "Groschengrab!"
Verzieht's Gesicht und quäkt und plärrt,
Da's flugs in seiner Nase zerrt.
Jetzt wirft er seinen Kopf zurück
Und reißt den Mund - welch scharfes Stück!
So balzt und gurrt er, wie die Taube;
Es zucken die geblähten Nüstern -
Und kitzelnd denkt sich, im Geschnaube,
Sein dickes Antlitz aufzuplüstern.
Da schnellt er, wie des Bogens Pfeil,
Nach vorn und faucht sein Seelenheil,
Orkangemäß und ungalant,
Hinaus aus welkem Sabberrand.
Um noch zu retten das Tablett
Gelingt ihm eine Pirouett.
Doch wie auf einem schwankend Schiff
Entflieht es jenem starken Griff
Des Obers, der, mit Irrgebärden,
Im Amoklauf vom Stuhl zum Tische,
Versucht der Platte Herr zu werden.
"Na warte! - wenn ich dich erwische!"
Die Gäste blöken, schreien schier:
"Was soll das? Ja was macht der hier?"
Denn ungeachtet aller Müh
Bespringt er jedes Gastmenü,
Besudelt alles was noch rein
Mit Braten, Soße, herben Wein.
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Es poltern Flaschen und das Glas,
So wie's Tablett ins nasse Gras.
Entnervt und voll des Wütens, Bebens,
Beweint der Ober seine Taten.
Und da doch alles ganz vergebens
Beschaut er, was nicht wohl geraten.
So legt er sich, mit müdem Sinn,
Nun neben dieses Chaos hin
Und schnieft und schluchzt im ärgsten Ton;
Die Gäste eilen schnell davon.
Und ich, der sich vor Lachen biegt,
Erkenn', daß meist die Tücke siegt.
© Das Deutsche Dichterroß - Januar 1990
Visao …
Drückt der Schlaf mir noch so fest die Augen,
Meine unbewußte Seele wacht,
Und was immer sie mir zugedacht
Mag allein für wirre Träume taugen.
Wundersames werde ich entdecken -
Manche Nachtvision wird mir gezeigt -,
Bis sich warme, grelle Strahlen recken,
Die mich mit dem neuen Tage wecken -
Bis die Sonne durch mein Fenster steigt.
Doch zunächst umwölkt mich träges Denken
Und ich merk, wie schwach das Herz mir schlägt.
Niemand weiß wohin die Nacht mich trägt,
Ungewißheit wird den Atem lenken.
Und es toben wilde Alpschwadronen
Unaufhörlich unter meinem Lid.
Geisterhafte Wesen und Dämonen
Heulen, lachen, ohne mich zu schonen -
Kaum erahn ich, was mit mir geschieht.
Dann, umgeben von den Finsternissen,
Taste ich mich durch ein Labyrinth.
Dort wo rätselhafte Gänge sind
Werde ich den klaren Weg vermissen.
Plötzlich höre ich ein dumpfes Flüstern,
Es umhallt mich, schleicht von Wand zu Wand;
Eine Tür, an der Scharniere knistern,
Wimmert leise und verschließt sich düstern -
Zärtlich streichelt etwas meine Hand.
Und dann spür ich Dich in meiner Nähe,
Spüre wie Dein Atem zu mir fliegt,
Wie Dein warmer Blick auf meinem liegt;
Fühle alles das, was ich nicht sehe:
Fühle Deine Hand in meiner wieder,
Fühl ein liebes Lächeln im Gesicht,
Fühl, Gefühle sinken auf mich nieder.
Und ich öffne meine müden Lider -
Langsam weicht die Finsternis dem Licht.
Drückt der Schlaf mir noch so fest die Augen,
Meine unbewußte Seele wacht,
Und was immer sie mir zugedacht
Mag allein für schöne Träume taugen.
Wunderbares konnte ich entdecken -
Manche Nachtvision ward mir gezeigt -,
Jetzt, da warm sich grelle Strahlen recken,
Die mich mit dem neuen Tage wecken -
Da die Sonne durch mein Fenster steigt ...
© Das Deutsche Dichterroß - Juni 1996
Was ich einst verloren hatt' …
Renn ich durch die Straßen, Gassen,
Durch die wilde Innenstadt.
Kann zu suchen es nicht lassen,
Was ich einst verloren hatt'.
Irre, manisch wie ein Tier,
Durch das Innenstadtrevier
Und sondiere dort wie hier,
Wo ich's einst verloren hatt'.
Doch ich finde weder Ruhe
Noch das flüchtend böse Ding.
Wo ich schaue, was ich tue,
Das Deutsche Dichterroß
"Handlungen und Wandlungen"
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32
Alles scheint mir zu gering.
Und ich frage wohl zerstreut
Alle mir bekannten Leut,
Ob sie es gesehen heut? -
Dieses flüchtend böse Ding.
Keiner hat es je gesehen;
Niemand der mir helfen will!
Nirgends ist es zu erspähen
Und ich werde traurig, still.
Drücke ängstlich, wie die Maus,
Mich entlang an Wand und Haus;
Schleiche aus der Stadt hinaus -
Dorthin, wo es traurig, still.
Trübsinn leidend, durch die Felder,
Gehe ich mit mir allein.
Dringe in die dunklen Wälder
Immer tiefer - ganz hinein.
Hier im Schatten sitze ich
Kühl und müd, fast wonniglich;
Denk an das, was mir entwich -
Wie es oft mit mir allein.
So beschäftigt, arg im sinnen,
Ahne ich verlor'nes nah.
"Ob ich es nicht in mir drinnen
Oftmals mit der Reue sah?"
Grübelnd forsch' ich nach - verbissen -
Was ich lange mußt' vermissen.
Plötzlich glaube ich zu wissen,
Wie ich mein - ach, mein Gewissen
Oftmals mit der Reue sah.
© Das Deutsche Dichterroß - November 1989
Das Deutsche Dichterroß
"Handlungen und Wandlungen"
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Das Deutsche Dichterroß
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